IRWIN
22 September 2017 – 19 November 2017
IRWIN, Like to Like / Mount Triglav, 2004, re-enactment auf der Grundlage des Fotos der Aktion der Gruppe / reconstitution de l’action basée sur une photographie du collectif OHO (Milenko Matanović), Mount Triglav, 1968, Farbfotografie / photographie en couleur, 168 × 199,5 cm. Foto / Photo: Tomaž Gregorič, Produktion / production: Cornerhouse, Courtesy Galerija Gregor Podnar
IRWIN
How to Read a Map
22.9.-19.11.2017
Der Name IRWIN steht für ein fünfköpfiges slowenisches Künstlerkollektiv, das seit 1983 zahlreiche bahnbrechende Zusammenarbeiten inner- und ausserhalb der eigenen Gruppe realisiert. How to Read a Map ist der vierte und letzte Teil eines länderübergreifenden Projektes, in dem verschiedene Aspekte ihrer Zusammenarbeiten, die vielfältige Medien wie Fotografie, Film, Installation, Interventionen im öffentlichen Raum, Malerei und Publikationen umfassen, beleuchtet werden. Von Beginn an richtet IRWIN den Fokus auf das Verhältnis, Zusammenspiel und die Repräsentationsformen von Kunst und Ideologie. Ihre Arbeitsweise setzt voraus, dass jedes Gruppenmitglied seine eigene künstlerische Ausdrucksweise beibehält und gleichzeitig Raum für Kooperationen mit anderen Künstlern wie Marina Abramović, Andres Serrano, Joseph Beuys bzw. dem 1984 begründeten interdisziplinären Kollektiv Neue Slowenische Kunst, kurz NSK, bleibt. Zusammenarbeit und Austausch sind die Grundlage beider Kollektive, die sich in der politischen und kulturellen Szene der damaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien positionierten. Ihre Werke beruhen auf einer schonungslosen Analyse und gezielten Aneignung von Ikonen sowie politisch oder religiös besetzten Symbolen. Provokativ-ironisch stellen sie deren Absolutheitsansprüche in Frage und dekonstruieren Propagandastrategien, indem sie Konnotation und Wirksamkeit von Zeichen und Bild und die damit verbundenen Gesellschaftssysteme untersuchen.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem blutigen Auseinanderfallen Jugoslawiens erfolgte 1992 die Umwandlung der Neuen Slowenischen Kunst in den NSK State in Time: Ein utopischer Staat, der weder über Grenzen noch Territorium verfügt. Jeder kann ihm durch den Erwerb eines Passes beitreten, denn sein Ziel ist es, die Koordinaten der Nationen, Identitäten und Grenzen in Frage zu stellen. Inzwischen hat der NSK State in Time weltweit 15’000 Anhänger und tritt mittels unterschiedlicher Kunstaktionen immer wieder in Erscheinung. Zu diesen gehören die temporären Botschaften und Konsulate, die in zahlreichen Städten wie Moskau, New York und Berlin stattfanden und von denen nun auch eine im Kunsthaus Pasquart eröffnet wird. Das Debüt des NSK State Pavillon auf der diesjährigen Biennale in Venedig bot wohl den bisherigen Höhepunkt dieses Bestrebens.
Ein Schwerpunkt von IRWINs nunmehr jahrzehntelangem Schaffen ist die Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichtsschreibung und der Erforschung, inwieweit auch diese das Produkt eines ideologischen Denkens ist. Zu Beginn des neuen Jahrtausends begann IRWIN mit East Art Map die Kunstgeschichte Osteuropas zu untersuchen: Im Rahmen einer umfassenden Publikation und einer interaktiven Webseite wurde die bis in die 90er-Jahre vom Westen weitgehend ignorierte Kunst des östlichen Europas ab 1945 systematisch (re)konstruiert und in Zusammenhänge gesetzt. Dass dabei auch der Blick auf die bisherige westliche Kunstgeschichtsschreibung revidiert werden musste, liegt auf der Hand. IRWINs Schritt, den ersten nicht-nationalen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2017 zu organisieren, war ein neuer Meilenstein ihrer Ideologien durchleuchtenden Institutionskritik.
How to Read a Map gibt einen Überblick über IRWINs Untersuchungen darüber, wie sich geopolitische Entwicklungen in der Kunstgeschichtsschreibung spiegeln und zeigt den beissenden Humor des Kollektivs im Umgang mit den Machtstrukturen der Kunstwelt. Im Jahr 2009 kam IRWIN zum ersten Mal im Rahmen von Utopics 11. Schweizerische Plastikausstellung nach Biel und zeigte Outlook: Words from Africa, eine Installation im öffentlichen Raum, die eine Sammlung von zahlreichen E-Mails, in denen Bewohner des afrikanischen Kontinents den NSK State in Time kontaktiert hatten, umfasste und sich mit Migration sowie ihren Ursachen auseinandersetzte.
Nun kommt IRWIN mit einer grossen Ausstellung im Kunsthaus Pasquart in die Stadt zurück, die der vierte und letzte Teil eines Ausstellungszyklus in Kooperation mit der Galleria Civica di Modena, Kunsthalle Osnabrück und dem Łaźnia Centre for Contemporary Art Danzig ist.
Kuratorinnen der Ausstellung
Julia Draganović und Claudia Löffelholz, LaRete Art Projects
Publikation
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation in Form eines unterhaltsamen «IRWIN–Glossars» erstellt von den Ausstellungskuratorinnen, Verlag für moderne Kunst (DT / FR).
Öffentliche Führungen
Do 19.10.2017, 18:00 (fr) Marine Englert, historienne de l’art
Do 9.11.2017, 18:00 (dt) Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart
Künstlergespräch
Fr 22.9.2017, 18:00 (dt / eng) IRWIN im Gespräch mit Julia Draganović und Claudia Löffelholz
Pressekonferenz: Freitag, 15.9.2017, 10:30
Vernissage: Donnerstag, 21.9.2017, 19:00
Kindervernissage: Donnerstag, 21.9.2017, 18:00-19:30
Einladungskarte herunterladen: IRWIN_A5_low