Viviane Sassen
5 Juli 2015 – 13 September 2015
Viviane Sassen
5.7.2015-13.9.2015
Viviane Sassen (*1972, NL) findet sowohl als Modefotografin wie auch im Kontext der zeitgenössischen bildenden Kunst grosse Beachtung. Die Ausstellung im Kunsthaus CentrePasquArt stellt eine Werkgruppe ins Zentrum, die Sassen 2013 in Pikin Slee, Surinam geschaffen hat. Die Gemeinschaft der Saramacca lebt dort isoliert von der Aussenwelt, ohne fliessendes Wasser, Elektrizität, Strassen und Internet. Auf der Suche nach einer neuen Bildsprache reiste Viviane Sassen 2012 erstmals in das von der Zivilisation fast völlig abgeschiedene Dorf Pikin Slee am Oberlauf des Surinam-Flusses, mitten im Regenwald der südamerikanischen Republik Surinam. Das Dorf ist nur über eine dreistündige Kanufahrt flussaufwärts erreichbar. Die Dorfbewohner leben noch heute wie ihre Vorfahren im vollkommenen Einklang mit der Natur. Als Selbstversorger bebauen sie kleine Landwirtschafts-flächen und produzieren Maniok-Brot, Maripa-Palmöl und getrocknete Kokosnuss.
Tief beeindruckt von der einfachen Lebensweise der knapp 4000 Einwohner, die mehrheitlich zur Ethnie der Saramaccaner gehören, den Nachfahren aus Westafrika stammender, entflohener Sklaven, unternahm die niederländische Fotografin 2013 eine zweite Reise an diesen Ort. Ihr künstlerisches Auge war gefangen von dieser überwältigenden Schönheit der Natur, diesem traditionellen Alltag, in welchen nur einzelne banale Gegenstände wie Plastikeimer, Küchenmesser oder Putzhandschuhe durchgesickert zu sein scheinen.
Vorwiegend in Schwarzweiss gehalten, bilden die analogen Fotografien in kleinem Format eine Serie von abstrakten Kompositionen und flüchtigen Motiven. Ebenso streng komponiert wie poetisch interpretiert, ergründen sie die Schönheit im Alltäglichen und die skulpturalen Qualitäten des Normalen. Viviane Sassen hat die schlichte Schönheit erfasst, die sich aus dem Zusammenspiel von scheinbar banalen Alltagsgegenständen inmitten einer überwältigenden Natur ergibt.
Obwohl die Umgebung geradezu nach Exotismus schreit, noch dazu fotografiert von einer europäischen Fotografin, lehnt Viviane Sassen diesen ganz klar ab und vermittelt dafür vielmehr ein Gefühl für Mysterien. Ihre Bilder werfen mehr Fragen auf, als dass sie Antworten liefern. Sassen legt den Fokus auf die Kontraste, Formen und Farben, welche sie um sich herum erspäht und in ein neues Licht stellt. So wird bei dem Porträt eines Jungen nicht dessen Gesicht, sondern der knallgelbe Gummihandschuh hervorgehoben, der mit seiner dunklen Hautfarbe und den indigo-blauen Hosen kontrastiert.
Ihre frühe Kindheit verbrachte Vivane Sassen mit ihrer Familie in Kenia, wo ihr Vater als Arzt arbeitete. „Meine Erinnerung an Afrika hat schon immer eine wichtige Rolle in meinem Leben und meiner Arbeit gespielt. Ich vermute, das hängt damit zusammen, dass sie mein allererstes Bewusstsein darstellt. Sie ist in meinem Rückgrat, ist mein Bauplan sozusagen … Als ich aus Kenia zurückkehrte, war alles, was ich kannte, mein Leben dort und Holland schien mir sehr fremd und neu … Heute, nachdem ich die letzten 12 Jahre viel durch Afrika gereist bin, haben sich meine Vorstellungen vom Kontinent und von mir selbst in Bezug zu diesem natürlich verändert. Doch es ist eine stetige Reise, sowohl im Innenleben als auch in der Aussenwelt. Mein Werk ist eine Reflexion dieser Reise.“ – Viviane Sassen
Diese Jahre haben sie massgebend geprägt und in Pikin Slee, einer ehemaligen holländischen Kolonie, hat sie zwei Identitäten vereint gefunden, die auch zu ihrer persönlichen Geschichte gehören, nämlich ihre gemeinsame Verbindung zu Afrika und zu den Niederlanden. „Wie ungewöhnlich, Holländisch sprechen zu können inmitten des südamerikanischen Dschungels mit Menschen afrikanischer Abstammung.“ – Vivane Sassen
Viviane Sassen hat Modedesign und später Fotografie an der Hochschule der Künste Utrecht (HKU) und den Ateliers Arnhem studiert. Sie war Teil der Hauptausstellung der 55. Biennale Venedigs 2013. Eine Retrospektive ihrer 17-jährigen Arbeit als Modefotografin wurde 2012 im Museum für Fotografie Huis Marseille in Amsterdam eröffnet, begleitet von einer Publikation bei Prestel (München). Eine Ausstellung ihrer Modefotografie In and Out of Fashion wurde 2014/2015 im Fotomuseum Winterthur gezeigt. 2007 erhielt sie den holländischen Kunstpreis und den Prix de Rome, sowie den Infinity Award for Applied/Fashion/Advertising Photography des International Center of Photography in New York. Dieses Jahr wurde sie zudem für den renommierten Deutsche Börse Photography Prize nominiert.
Die Ausstellung wird im Rahmen des ICA Touring-Programms präsentiert, in Kooperation mit The Institute of Contemporary Arts, London.
Mit der freundlichen Unterstützung der niederländischen Botschaft.
Kuratorin der Ausstellung: Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus CentrePasquArt Biel Bienne