Manufacture
5 Februar 2012 – 18 März 2012
Manufacture
5.2.2012 – 18.3.2012
Michael Beutler • Vanessa Billy • Dewar & Gicquel • Ida Ekblad • Vincent Ganivet • Dunja Herzog • Hedwig Houben • Brian Jungen • Emmanuelle Lainé • Charles Mason • Vik Muniz • Kilian Rüthemann • Zin Taylor
Nach erfolgreichen Präsentationen im Museum Parc Saint Léger in Pougues-les-Eaux (FR) und in der John Hansard Gallery in Southampton (UK) wird die Gruppenausstellung Manufacture nun im Kunsthaus CentrePasquArt Biel gezeigt. Auf Einladung der neuen Direktorin, Felicity Lunn, erweiterten die Kuratorinnen Zoë Gray und Sandra Patron die ursprüngliche Ausstellung zur bislang ambitioniertesten Version. Werke von internationalen Grössen werden mit neu geschaffenen Arbeiten von aufstrebenden Schweizer KünstlerInnen vereint, wobei die Ausstellung der Frage nach der Bedeutung von Produktion im Bereich der künstlerischen Arbeit nachgeht.
Im heutigen, postindustriellen Europa entfernen wir uns jeden Tag mehr von der materiellen Realität und der Produktion von Waren und Handelsgütern. Unsere alltäglichen Gebrauchsgegenstände, welche tausende von Kilometern von uns entfernt zu miserablen Löhnen produziert werden und durch komplexe, schwer rekonstruierbare Kanäle vertrieben werden, sind meist Wegwerfartikel, Produkte von kurzer Lebensdauer. Die Tatsache, dass wir im Alltag immer weniger handwerklich arbeiten, hat Einfluss auf unsere Beziehung zur Umwelt und führt dazu, dass wir uns ihr gegenüber immer passiver verhalten. Wenn etwas kaputt geht, wird es ersetzt, weil wir nicht nur unfähig sind, es zu reparieren, sondern auch nicht verstehen, wie es funktioniert. Allerdings lässt sich in den letzten Jahren ebenfalls ein wachsendes Interesse für «handgemachte» Produkte feststellen, für Handwerk, Bastelei und «do-it-yourself». Selbst wenn diese Entwicklung durch die Weltwirtschaftskrise begünstigt wird, ist sie auch Ausdruck einer – wenn nicht rebellischen, so zumindest alternativen – Denkweise, welche dazu auffordert, unseren Bezug zur Arbeit beziehungsweise zur Produktion zu überdenken.
Das Thema der sich verändernden Beziehung zu Material und Produktion spiegelt sich sowohl in der Kunst- als auch in der Ideengeschichte der letzten 50 Jahre wider. Die Dematerialisierung des Kunstwerks, die Anfang des 20. Jahrhunderts durch Marcel Duchamp lanciert und 1968 von der amerikanischen Kunsthistorikerin Lucy Lippard wissenschaftlich beschrieben wurde, brachte eine Kunst hervor, für die die Idee hinter dem Werk wichtiger wurde als die materielle Ausführung. In den 1970er Jahren führte dies teilweise zur kompletten physischen Auflösung des Kunstwerks. Ausserdem überliessen es die KünstlerInnen vermehrt anderen, ihre Werke zu produzieren. Dies befreite sie zwar von dem Zwang, selbst Objekte herzustellen, stillte aber nicht ihren Durst, sich auf Materialien unterschiedlichster Art einzulassen, zu experimentieren und sich Gedanken über das Zusammenspiel von Form und Inhalt zu machen.
Die Ausstellung Manufacture versucht aufzuzeigen, was «produzieren» heute für Kunstschaffende bedeutet, und zwar nicht nur in Bezug auf die Kunstgeschichte, sondern auch in Bezug auf die heutige, von Globalisierung und Massenkonsum geprägte Gesellschaft. Als Erben der Konzeptkunst und als Kinder eines industrialisierten Zeitalters scheuen die Künstlerinnen und Künstler von Manufacture nicht davor zurück, sich eingehend mit Handwerk, Bastelei und Reparaturarbeiten zu beschäftigen. Sie integrieren Arbeitsweise und Formsprache in ihr Schaffen und zwar ohne dabei die Technik zum Fetisch zu erheben. Tatsächlich setzen einige Kunstschaffende die Materialien und Techniken entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung ein. Andere erforschen die Möglichkeiten des Unvorhergesehenen, des Misslingens, des Zufalls oder des Unfalls. Was sie zur oft langwierigen und schwierigen Produktion antreibt, ist die Frage nach der praktischen, handwerklichen Erfahrung und wie diese eine Art Vertrautheit, Einverständnis und Emanzipation der Welt gegenüber mit sich bringt. Bei diesem Hin und Her zwischen handwerklichem und industriellem Prozess, zwischen zeitgenössischen und traditionellen Materialien, zwischen Form und Inhalt, gelangen die Kunstschaffenden zu einem gemeinsamen Ansatz, der auf Erprobung und Empirismus gründet.
Kuratorinnen der Ausstellung: Zoë Gray und Sandra Patron