Jérôme Stünzi (*1981, lebt und arbeitet in Biel)
Le stricte maximum, 2020
Pappmaché, Acryl-, Vinyl- und Enkaustik-Farbe auf Holz, 100 x 80 cm
Der Künstler und Bühnenbildner Jérôme Stünzi verbindet zwanglos Skulptur und Malerei auf der einen mit den darstellenden Künsten auf der anderen Seite und überwindet so die Grenzen zwischen den unterschiedlichen künstlerischen Genres und Medien. Für die Cantonale präsentiert er ein figuratives Gemälde, das im Umgang mit Formen und Körpern auf eigentümliche Weise der geometrischen Abstraktion nahekommt. Diese minimalistische Komposition von ausgeprägter Stofflichkeit verdankt ihre Ausdrucks-kraft auch ihrer sanften und kontrastreichen Farbpalette. Le stricte maximum zeugt von einem poetischen und unkonventionellen Blick auf die Welt.
Les Inconvénients du confort
Installation, verschiedene Materialien, variable Dimensionen
La fonte des plantes, 2020
Pappmaché, Acryl- und Enkaustikfarbe, 80 x 100 cm
Le poids de la douceur, 2020
Pappmaché, Enkaustikfarbe, Fliesen, 80 x 100 cm
Dégénération spontanée, 2020
Pappmaché, Enkaustikfarbe, Spray, 80 x 100 cm
Nach seiner Ausbildung als Grafiker beginnt Jérôme Stünzi als Bühnenbildner für die darstellenden Künste zu arbeiten. Er gründet 2015 das Kollektiv Old Masters mit, das mehrere bemerkenswerte Bühnenstücke produziert. Er ist für das Bühnenbild zuständig, beteiligt sich aber auch an der Kreation der Kostüme, der Inszenierung und dem Text. Parallel dazu schafft er Skulpturen, bewegte Installationen sowie Bilder und stellt diese aus. Er verbindet die verschiedenen Praktiken in seinen Werken, mit dem Ziel, Objekte lebendig erscheinen zu lassen. Es geht ihm darum, ihnen eine Stimme zu geben und Situationen oder Geschichten zu erfinden, in denen sie die Hauptdarsteller sind. Jérôme Stünzi beschreibt sein Vorgehen folgendermassen: «Bei meiner Arbeit bin ich versucht, mich an Objekten zu messen, den Menschen gegen die Objekte antreten zu lassen. Wie leben/denken/lieben –, in/als/mit Objekten? Ich denke, dass wir von den leblosen Objekten eine Demut, eine Positionierung in der Welt lernen können.»
Die Jury des Prix Anderfuhren liess sich von dieser forschenden Herangehensweise überzeugen, welche die Objekte und ihre Räume durcheinanderbringt. Die Skulpturen von Jérôme Stünzi sind Assemblagen ausgefallener Formen, kontrastierender Texturen und gegensätzlicher Farben. Vorherrschend ist eine Spannung zwischen dem Abstrakten und Figurativen, dem Festen und Weichen, dem Glatten und Rauhen. Die geschaffenen Objekte bleiben undefinierbar, strahlen jedoch eine starke Präsenz aus und dominieren die spielerische und farbige Ästhetik. Diesen illusorischen und nur vorgeblich naiven Ansatz findet man auch in den Bildern von Jérôme Stünzi, in denen sich zwei- und dreidimensionale Formen widersprechen. Seine Werke bilden dadurch aussergewöhnliche Innenansichten und Räume, die nach einer eigenartigen Logik angelegt sind. Dort kann eine Pflanze schmelzen und zu reiner Farbe werden, die Flecken auf einem Sitz verursacht, der vielleicht in Wirklichkeit nur eine flache monochrome Oberfläche ist. Die Arbeit von Jérôme Stünzi ist weitaus mehr als ein geschicktes Formenspiel – er komponiert eine poetische Welt, gleichzeitig friedlich und irritierend, künstlich und elementar.
Mit dem Prix Anderfuhren 2020 erhält Jérôme Stünzi ein Stipendium von CHF 15’000 als Unterstützung bei der Entwicklung seiner Arbeit.
Text: Michel Vust, Delegierter für Kultur der Stadt Biel