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A Night in Beirut – Interviews

Stéphanie Saadé im Gespräch mit den eingeladenen libanesischen Künstler*innen:

A Night in Beirut

SIRINE FATTOUH, STÉPHANIE DADOUR, MARWAN MOUJAES, ROY SAMAHA and MAHA YAMMINE

28.1.-27.3.2022

Parallel zu ihrer Einzelausstellung Building a Home with Time kuratiert Stéphanie Saadé ein Programm mit Filmen libanesischer Künstler*innen unter dem Titel A Night in Beirut[1]. Sirine Fattouh und Stéphanie Dadour, Marwan Moujaes, Roy Samaha und Maha Yammine wurden eingeladen, eine Auswahl ihrer Filme zu zeigen, die in einem wöchentlichen Programm gezeigt werden.

Jede ihrer Stimmen ist einzigartig und bietet eine besondere Vision des Libanon und ihrer Erfahrungen mit dem Land: ein Auto, das durch die Strassen fährt und Landschaften, Situationen und das tägliche Leben von Sirine Fattouh und Stéphanie Dadour erkundet; Tableau-Filme bei Marwan Moujaes, die einen Blick auf Landschaften und Gebiete bieten, durch die die sozio-politische Realität des Landes durchscheint; eine Figur, die sich auf eine historische Recherche begibt, die bei Roy Samaha unerwartet zu einer Suche nach sich selbst führt; performative Handlungen, die in der Vergangenheit gelernt wurden und Jahre später unbeholfen wiederholt werden, bei Maha Yammine. Die Filme zeugen alle auf ihre Weise von einer kollektiven Erinnerung an den Libanon, sei es in der Vergangenheit oder in jüngster Zeit, und schaffen so einen aktiven Dialog mit den Werken in der Ausstellung von Stéphanie Saadé.

MITTWOCHS: MAHA YAMMINE

14, 2017, Video, 80′, courtesy the artist

In 14 (2017) filmt Maha Yammine eine Gruppe von Amateur-Kartenspieler*innen. Obwohl die Künstlerin an keiner Stelle in das Spiel eingreift, hat sie die Karten vorher modifiziert, indem sie ihre verschiedenen Merkmale, wie Farben und Zahlen, ausgelöscht hat. Mit Hilfe ihrer Phantasie und Erfahrung müssen die Spieler*innen ihre eigenen Varianten und Züge erfinden. Durch das Fehlen von Regeln und Zufall – Elemente, die Kartenspiele normalerweise ausmachen – möchte Yammine die wesentlichen Aspekte dieser Praxis hervorheben: Geselligkeit und Nähe, indem sie den Spieler*innen einen von Konventionen befreiten Raum bietet.

Moussa, 2017, Video, 80′, Courtesy the artist

In Moussa (2017) bittet Maha Yammine einen Mann, Moussa, vor der Kamera ein Kleid zu nähen, eine Tätigkeit, die ein Jahrzehnt lang zu seinem Alltag gehörte. Schon als Kind war er in das Familienunternehmen einge-bunden, um Kleider für kleine Mädchen herzustellen. Zweiundvierzig Jahre später nimmt Moussa die Herausforderung an, zum ersten Mal wieder zu nähen, nachdem er diese Tätigkeit aufgegeben hatte. Wir beobachten seinen Körper und seinen Geist dabei, wie er sich an die Schritte und Gesten erinnert, die für die Herstellung eines Kleides notwendig sind, Handlungen, die er früher mit Leichtigkeit und ohne Zögern ausführte.

Fanfare, 2017, Video, 5′, courtesy the artist

Der von Maha Yammine für Fanfare (2017) gewählte Ansatz ist mit dem von Moussa vergleichbar. Zu Beginn des libanesischen Bürgerkriegs fand sich eine Gruppe junger Leute ohne Beschäftigung zusammen. Diese Jugendlichen gründeten eine Fanfare und musizierten bei festlichen Anlässen im Dorf und in den Nachbardörfern. Die Künstlerin bittet ein Ehepaar, das sich in der Fanfare kennengelernt hat, vor der Kamera zum ersten Mal seit der Unterbrechung ihrer musikalischen Tätigkeit ein Musikstück nachzuspielen, und zwar ohne jede Einübung oder Probe.

DONNERSTAGS: ROY SAMAHA

Sun Rave, 2019, Videoloop, 11′, courtesy the artist

Roy Samahas Film Sun Rave (2019) spekuliert über die Auswirkungen eines Sonnensturms im Jahr 1989. Er ahmt die unvorhersehbare Freisetzung von Energieeruptionen nach und verknüpft persönliche Geschichten mit wichtigen geopolitischen Ereignissen, während er vom Haus seiner Familie in Beirut nach Bukarest, Berlin und weiter weg wechselt.

Landscape at Noon, 2014-2016, HD Farbvideo, stereo sound, 66′, courtesy the artist
Screening um 17:30 und 18:45

Roy Samahas Spielfilm Landscape at noon (2014-2016) begleitet eine Figur auf einer historischen Reise, die zu einer existenziellen Suche führt. Nasri ist ein junger Filmemacher, der an seinem neuesten Spielfilm arbeitet, der während des libanesischen Bürgerkriegs spielt. Er hat das Gefühl, dass seine rekonstruierten Szenen unecht aussehen und er sieht sich nicht in der Lage, den Tod darzustellen. Obwohl er in Foto- und Videoarchiven aus der Zeit des Krieges recherchiert hat, ist er von dem Gedanken besessen, dass ein Teil der Wahrheit fehlt. In seiner Verzweiflung beschliesst Nasri, eine Forschungsreise nach Zypern zu unternehmen; doch die Reise nimmt eine unerwartete Wendung.

FREITAGS: SIRINE FATTOUH AND STÉPHANIE DADOUR

From Syria to Palestine: El Autostrad’, 2017, Videoloop, 240′, courtesy the artists

In From Syria to Palestine: El Autostrad (2017) fahren Stéphanie Dadour und Sirine Fattouh durch den Libanon, welcher als Zwischenraum dargestellt wird, indem er die libanesisch-syrische Grenze im Norden mit der libanesisch-palästinensischen Grenze im Süden verbindet. Die Autobahn offenbart eine Landschaft und erzählt die Geschichte der Entstehung einer Nation. Sie ist gleichzeitig ein Libanon mit einer gewissen Restgrösse und ein Libanon, der schon zu voll ist. Die Fahrt findet in einem Stück statt und folgt dem Rhythmus eines typischen Tages. Es dauert etwas mehr als 200 km oder 4 Stunden ohne Verkehr, um eine Reihe von Orten zu entdecken, die durch eine Strasse verbunden sind, eine Landschaft, in der sich zahlreiche Strukturen befinden. Dadour und Fattouh filmen dieses Gebiet mit zwei Kameras, eine, die vorne und eine andere an der Seite des Fahrzeugs angebracht ist. So nehmen sie Tableau-Filme auf, die einen Einblick in das tägliche Leben bieten, durch das die sozio-politischen Realitäten des Landes zum Vorschein kommen.

SAMSTAGS: MARWAN MOUJAES

40 days of mourning, 2016, Videoloop, 4’, courtesy the artist and NASA/SDO, the AIA, EVE and HMI science teams

Am 21. August 2013 um 3:15 Uhr forderte ein chemischer Angriff auf Gotha in Syrien zwischen 322 und 1729 Opfer. 40 days of mourning (2016) versammelt alle Bilder der Sonne, die vom Solar Dynamics Observatory der NASA zwischen dem 21. August 2013 um 3:15 Uhr und dem 3. Oktober um 3:15 Uhr, also 40 Tage nach dem Anschlag, aufgenommen wurden. 40 Tage, die Zeit, die zum Trauern benötigt wird, bevor der Körper verwest und die Seele den Körper vollständig verlässt.

Counting Sheep, 2018, Videoloop, 6′, courtesy the artist

In Counting Sheep (2018) grast eine durch die Musik eines Wiegenlieds beruhigte Schafherde am Ufer des Flusses Litani, der Grenze der besetzten und dann entmilitarisierten Zone im Südlibanon. Diese verschiedenen Elemente – die symbolisch für den friedlichen Schlaf oder die Träumerei stehen – werden durch den äusserst brisanten soziopolitischen Kontext des Ortes bedroht. Was wird zuerst auftauchen: ein Traum oder ein Krieg?

Before Tomorrow Was Not Today, 2021, Videoloop, 17′, courtesy the artist

Before Tomorrow Was Not Today (2021) wurde kurz vor Mitternacht am 31. Dezember 2018 gefilmt, während dem Warten auf die frühen Stunden des Jahres 2019. Das Video – angesiedelt zwischen altem und neuem Jahr – wird rückwärts abgespielt. Die Feuerwerkskörper und Schüsse, die aus der Skyline von Beirut aufsteigen, stürzen nun auf die Stadt und werden von ihr verschluckt. Es ist eine ambivalente Szene zwischen Feier, Invasion und Bürgerkrieg.

SONNTAGS: SIRINE FATTOUH

Behind the Shield (2019 – fortlaufend), Videoloop, 55’, courtesy the artist and AD Leb (Art Design Lebanon)

Behind the Shield (2019 fortlaufend) ist ein einstündiges Video, das ein filmisches Porträt der Stadt Beirut über die letzten drei Jahre zeichnet. Das Werk dokumentiert Schlüsselmomente der jüngeren Geschichte des Landes – von der Oktoberrevolution 2019 bis zur Hafenexplosion vom 4. August 2020 – und beleuchtet gleichzeitig die banalen und alltäglichen Facetten des Lebens.

 

Kuratorin der Ausstellung

Stéphanie Saadé, Künstlerin

#aristtakeover – Instagram takeovers

Für #artisttakeover übernimmt ein*e Künstler*in während 24h den Instagram Account des Kunsthaus Pasquart (@pasquart_) und nutzt diesen, um das eigene künstlerische Schaffen, den Arbeitsprozess im Atelier oder neue Werke zu zeigen; den Blick auf Materialen oder Verfahren zu richten oder Reflexionen zu teilen. Was Inhalt ist, steht den Künstler*innen frei. Das Format bietet eine lebendige und persönlichere Perspektive für das Publikum ein künstlerisches Werk zu betrachten. Für die Kunstschaffenden stellt es ein Mittel dar, ihre Arbeit unabhängig von einem physischen Ort zu präsentieren und selber zu kuratieren.

13.2.2022        Sirine Fattouh

27.2.2022        Marwan Moujaes

20.2.2022       Maha Yammine

6.3.2022         Roy Samaha

20.3.2022       Stéphanie Saadé

[1] Basierend auf einem Filmtitel von Sirine Fattouh.