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CÉLINE CONDORELLI

7.7.–8.9.2019

In ihrer Arbeit verbindet Céline Condorelli (*1974; FR/I, lebt und arbeitet in GB/PT) Kunst mit ihrer Umgebung. Die Künstlerin überführt Elemente des Städtebaus, der Architektur und des Dekors, aber auch szenografische Mittel wie Beleuchtung, Tragstrukturen und Sitzgelegenheiten in Installationen, Skulpturen und Videos. Damit werden die Komponenten und Materialien eines Gebäudes, die eigentlich zur Formensprache von Baukonstruktionen gehören, selbst zu Kunstwerken. Indem sie diese Elemente in den Kontext des neutralen Museumsraum stellt, eröffnet sie einen Diskurs über die Art und Weise Ausstellungen zu präsentieren, und reflektiert Wertvorstellungen, Sichtbarkeit von Dingen, Formen der Kommunikation und manipulative Eingriffe. Darüber hinaus schafft Condorelli Verbindungen zwischen Geschichte und sozioökonomischen Kontexten, um existierende und mögliche Schnittstellen zu hinterfragen und gleichzeitig zu untersuchen, wie diese im Ausstellungsraum konkret umgesetzt werden können. In ihren Ausstellungen kreiert die Künstlerin neue Konstellationen ihrer eigenen Auseinandersetzungen zu verschiedenen Themen, Räumen und deren Kontexten. Diese erste Präsentation der Künstlerin in der Schweiz zeigt eine Auswahl bedeutender Werke ihres Schaffens, ergänzt mit neuen Produktionen.

Céline Condorelli beschäftigt sich in ihren Werken mit der Geschichte von Kulturinstitutionen und Museen, um die heutige Präsentationsweise von Kunst zu hinterfragen. Sie richtet ihr Interesse auf die Architektur und die szenografischen Merkmale solcher Orte, die wenig in Frage gestellt werden, obwohl sie sich im Laufe der Zeit verändert und entwickelt haben. Die Künstlerin macht diesen Umstand bewusst, indem sie unseren Blick und unsere Bewegungen durch die Ausstellung leitet. So spielen die perforierten Aluminiumplatten von After Image (Gray und Bayer) (2015) auf die Rechtwinkligkeit der Wände an und sind in Pastellfarben lackiert, um uns daran zu erinnern, dass vor 150 Jahren die Wände von Museen nicht weiss, sondern farbig waren. Die Neutralität des Ausstellungsraums verändert sich. Auch die auffällige Sitzbank aus Metall und Sperrholz, Average Spatial Compositions (2015), in der Formensprache von De Stijl und bezogen mit buntem Stoff, scheint den Betrachter einzuladen, sich hinzusetzen und die fünf grossformatigen Drucke bau bau bau (2015) aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die Installation erinnert an Bauhaus-Ausstellungen, die Kunst, Grafik, Design und Architektur gleichwertig gegenüberstellten, als Synthese und als Ausdruck von Modernität.

In diesem Kontext untersucht Céline Condorelli auch die Rolle des Betrachters und seiner Wahrnehmung in Ausstellungsräumen. Ihre Installationen erinnern uns daran, dass Strukturen, die für die Präsentation von Kunst verwendet werden, unsere Interpretation von Ausstellungen beeinflussen. Der Prozess des Betrachtens bietet der Künstlerin die Gelegenheit, sich kritisch mit der Kunst und ihrer Präsentationsform auseinanderzusetzen und die geltenden Normen zu unterlaufen. Support Structure Yellow (2000-2019) ist eine modulare Tragkonstruktion aus gelben Glasscheiben und Stahl, an der Werke aufgehängt werden können, die dadurch auf eine andere Weise sichtbar werden. Die beiden grossen grün-weissen Serpentinenskulpturen aus Wellglas mit dem Namen Epilogue (2018) spielen auf den Akt des Betretens und Verlassens des vorgesehenen Pfades in einer Ausstellung an, während die mehrfarbige Neon-Serie Grazie e Arrivederci (2018) einen Sonnenuntergang imitiert, der die Besucher an die Einheitlichkeit der Museumsbeleuchtung erinnert. Die Skulptur Zanzibar 1:10 (2018) ist auf einem rosa Vinylboden platziert und besteht aus drei Betontöpfen, deren wellenförmige Formen – ähnlich denen des Epilogs – sich auf die Architektur des Restaurants Coati beziehen, das von Lina Bo Bardi, einer Hauptfigur der modernen Bewegung, entworfen wurde. Wie der Baum, der das Herz des brasilianischen Restaurants durchbohrt, erheben sich Monstera-Pflanzen in der Mitte der Skulpturen. Condorelli verweist darauf, dass es im letzten Jahrhundert üblich war, die Ausstellungshäuser mit Pflanzen zu dekorieren. Hier geht es aber nicht nur um eine Auseinandersetzung mit dem White Cube, der unsere Wahrnehmung von Kunst massgeblich beeinflusst hat, sondern auch um das Verhältnis von Kunst und Formen sozialer Organisationen. So wie das Ausstellen von Kunst szenografischen Mitteln unterliegt, die ausserhalb eines Werkes liegen, gibt es solche ‘unsichtbaren’ Strukturen auch in Sozialsystemen, deren Macht gerade darin liegt, dass Systematiken nicht als manipulative Instrumente erkannt werden. Condorelli legt das Funktionieren solcher geheimen Apparate offen und veranschaulicht, wer das Kontrollorgan und wer die gesteuerte Instanz ist: Kulturelle Institutionen und Behörden leiten Besucher und Bürger, ohne deren klares Bewusstsein darüber.

Céline Condorellis Untersuchung gelten auch der Wechselbeziehung von Kunst und Gesellschaft und der Frage, wie Kunst in die Gesellschaft integriert ist. Sie transferiert Infrastrukturen aus dem öffentlichen oder privaten Umfeld in den Kunstkontext, um die Sichtweise auf das, was uns umgibt, zu beleuchten und die Möglichkeit für eine Gesellschaft mit einer höheren Lebensqualität aufzuzeigen. Additionals, Structure for Communicating with Wind (2012) gehört zu Additionals, einer fünfteiligen Serie. Der metallisierte Vorhang wiegt sanft im Luftzug eines Ventilators und kontrastiert mit den anderen Objekten, die monumentale Strukturen sind: Alle sind als Teil einer kollektiven Performance entstanden und oszillieren formal und inhaltlich zwischen funktionaler Einrichtung, dekorativen Überresten und Kunst. Die Additionals schaffen einen Rahmen, der eine Kommunikation zwischen den Darstellern ermöglicht und gleichzeitig den Begriff der Gemeinschaft erfahrbar macht.

Kurator der Ausstellung

Damian Jurt, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter Kunsthaus Pasquart

Öffentliche Führungen

Do 11.7.2019, 18:00   (fr)             Valentine Yerly, Kunstvermittlerin

Do 5.9.2019, 18:00    (dt)            Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart

Künstleringespräch

Sa 6.7.2019, 16:00    (fr / eng)     Céline Condorelli im Gespräch mit Felicity Lunn

Céline Condorelli, Ausstellungsansichten Kunsthaus Pasquart 2019. Fotos: Lia Wagner; Courtesy the artist and Galeria Vera Cortês