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Das Bieler Duo RITZWIRTH hat eine einmalige Position in der Schweizer Kunstszene. Katia Ritz (*1973, CH) als Architektin und Florian Hauswirth (*1976, CH) als Industrial Designer realisieren nicht nur architektonische Projekte, sondern seit 2009 zusammen auch installative Arbeiten. Zentral sind Interventionen, die in direkter Beziehung zu ihrer Umgebung stehen und jeweils sehr situativ und unterschiedlich konzipiert werden. In ihrer ersten grossen Einzelausstellung präsentieren sie vergangene Projekte sowie eine monumentale Installation, welche die Funktionen des Kunsthaus-Gebäudes neu interpretiert.

Der Titel der Ausstellung, anderswar (althochdeutsch für anderswo), beinhaltet indirekt den Begriff Wahrnehmung und impliziert eine mögliche Andersartigkeit oder eine Aufbruchsstimmung. Durch ihre freie Herangehensweise sowie ihre hybride Praxis zwischen Kunst, Design und Architektur verändern RITZWIRTH auf überraschende Weise den jeweiligen Ort. Im Altbau präsentieren sie Projekte der letzten 12 Jahre anhand von Installations-Fragmenten, Entwurfsmodellen, Skizzen und Materialmustern, sowie Fotografien und Film- oder Audioaufnahmen. Darunter findet sich eine bemerkenswerte Spannbreite an Projekten, von szenografischen Arbeiten, wie für das Zentrum Paul Klee oder die Appenzeller Bergstation Hoher Kasten, über das für diverse Aktivitäten verwendbare Raketen Regenwasser Silo (2018) auf dem Bieler Terrain Gurzelen, der Erweiterung der Coupole Biel, bis hin zu einer aus Couverts bestehenden Fensterinstallation für das Ishinomaki Laboratory in Tokyo. Sie reagieren vor allem auf städtische Umgebungen wie beispielsweise bei les Urbaines in Lausanne mit einem Organ, das Geräusche von abfliessendem Regenwasser aufnimmt und verstärkt in den urbanen Raum abgibt, oder im Raum Spazio Lampo in Chiasso, wo ein Jägersitz in der Stadt die Migrationsproblematik hervorhebt und die Besucher*innen zu Spähenden und Erspähten werden. Oder sie intervenierten im Kontext der Skulpturtriennale Bex & Arts in die Natur indem sie Abgüsse von Beton aus dem Boden rissen und so den menschlichen Eingriff in die Natur aufzeigen. RITZWIRTHs fluide Kombination unterschiedlicher Materialien, Herangehensweisen und Techniken ermöglicht einen vielfältigen Zugang. Als Ergänzung des Räumlichen wird immer wieder Sound in ihre Arbeit integriert.

In ihrer Wahl-Heimatstadt Biel für Architektur Aufträge sowie für Interventionen im öffentlichen Raum bereits bekannt, kontextualisieren RITZWIRTH im Kunsthaus Pasquart dessen Umfeld und seine architektonischen Eigenschaften, um dieses zu verwandeln. Mit Beton-Abgüssen, die sie an öffentlichen Freiräumen der Stadt fertigen, wird die Vergänglichkeit solcher Orte als Anregung für ein gemeinsames, zukunftsweisendes Planen thematisiert. Die Möbel aus rot-weissen Bauabsperrplatten transportieren den Stadtraum – auch durch Biels Wappenfarben – ins Kunsthaus. In der Salle Poma wird die hermetische Struktur und die kühle Ästhetik des White Cubes mit einer neuen monumentalen Installation aufgebrochen. Inspiriert von der aktuellen Ausnahmesituation mit Covid-19 sollen Innenraum und Aussenwelt neu erlebbar und die Funktion des Kunsthaus-Gebäudes hinterfragt werden. Während drei Periskope wie optische Leitungen nach aussen funktionieren, werden Kanäle parasitär an das Gebäude angebracht, die den Blick nach draussen und teilweise auch umgekehrt in das Gebäude

hinein ermöglichen. RITZWIRTHs bisheriges Experimentieren mit den unterschiedlichen Massstäben von Objekten, Gebäuden und Städten wird hier radikal erweitert: sie transferieren den Prototyp eines Objekts auf ein Gebäude und in die Stadt. RITZWIRTH möchte, dass wir «zu Touristen im eigenen Alltag» werden, wobei andere Perspektiven geöffnet und neue Dinge – losgelöst vom Leben – ermöglicht werden.

Kuratorin der Ausstellung

Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart

Publikation

Eine Publikation zur Arbeit von RITZWIRTH wird während der Ausstellung im Verlag für moderne Kunst erscheinen, mit Texten von Felicity Lunn, Victoria Easton, Tido von Oppeln und Antonia Steger (DT/FR/ENG).

Kunstimbiss

Fr 9.7.2021, 12:15 (dt/fr) Kurzführung und Mittagssnack (Anmeldung: info@pasquart.ch, CHF 15.-)

Künstler*ingespräch und Buchvernissage

Do 19.8.2021, 18:00 (dt/fr) RITZWIRTH im Gespräch mit Felicity Lunn

Podiumsgespräch

Mi 25.8.2021, 18:00 (dt/fr) mit RITZWIRTH, L/B Lang Baumann, urban equipe, Felicity Lunn

Öffentliche Führungen

Do 12.8.2021, 18:00 Felicity Lunn und Stefanie Gschwend, Kuratorinnen der Ausstellungen
Do 26.8.2021, 18:00 Julie Carron, Kunsthistorikerin

RITZWIRTH, anderswar, Ausstellungsansicht / vue d’exposition / exhibition view; Foto / photo: Dominique Uldry