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Anja Kirschner & David Panos

21.4.2013-16.6.2013

In den Filmen von Anja Kirschner (*1977, DE) und David Panos (*1971, GR/US), die zwischen Dokumentation und Fiktion oszillieren, stossen historische und literarische Elemente auf Referenzen der Populärkultur. Im Kunsthaus CentrePasquArt präsentiert das Künstlerduo unter anderem die raumgreifenden Videoinstallationen Ultimate Substance (2012) und The Last Days of Jack Sheppard (2009). Beide Arbeiten setzen sich mit der kritischenDarstellung von Geschichte und den Spannungen zwischen empirischer Recherche und künstlerischer Form auseinander und ziehen die Vergangenheit heran, um die Gegenwart zu beleuchten.

In assoziativer Bezugnahme auf Archäologie, Philosophie, Mathematik und Ritual untersucht Ultimate Substance die Hypothese, dass der Einzug der Geldwirtschaft im antiken Griechenland einen tiefgehenden Erkenntniswandel mit sich brachte, der entscheidend zur Entstehung der westlichen philosophischen, wissenschaftlichen und dramatischen Traditionen beitrug.

Vor dem Hintergrund zügelloser Finanzspekulationen im London des frühen 18. Jahrhunderts inszeniert The Last Days of Jack Sheppard die Geschichte des berühmten Diebs, der durch seine spektakulären Gefängnisausbrüche zum Volkshelden wurde.

Anja Kirschner und David Panos haben Ultimate Substance während des letzten Jahres in Griechenland gefilmtDie Videoprojektion wird ergänzt durch Steine und ein Model eines Platonischen Körpers. Gemeinsam verweisen alle drei Elemente auf die Trennung von körperlicher und geistiger Tätigkeit, die mit dem Einzug der Geldwirtschaft im Griechischen Altertum auftrat. Gefilmt wurde Ultimate Substance im und rund um das Numismatische. Museum in Athen und in Lavreotiki, einem 60 km entfernten Berbaugebiet. Von dort kam das Silber für das Münzgeld, das in Athen rasch zum Alltagszahlungsmittel wurde und die materielle Basis war, auf dem der klassische Athener Stadtstaat fundierte. In der Römerzeit stillgelegt, wurden die Minen im 19. Jahrhundert wiederentdeckt und machten Lavrio zur ersten Industristadt des modernen griechischen Staates. Ultimate Substance setzt auf eine starke Inszenierung und Stilisierung, formale Elemente, die sinnbildlich auch für die Entwicklung von Philosophie, Mathematik und Drama im antiken Griechenland stehen. Auch die kontinuierliche Präsenz von historischen und zeitgenössischen Alltagsobjekten hat eine klare Funktion, die darauf verweist, inwieweit man von materiellen Objekten geschichtliche Entwicklungen ablesen kann.

Der kritische Kostümfilm The Last Days of Jack Sheppard (Parkett 2), der durch Kulissenelemente und historisches Archivmaterial ergänzt wird, geht den Verbindungen zwischen Fiktion,  Spekulation und Repräsentation nach. Basierend auf den Gefängnisbegegnungen zwischen Jack Sheppard und Daniel Defoe, dem Ghostwriter von Sheppards «Autobiografie», wurde der Film inspiriert durch Originaldrucke, Balladen und literarische Beschreibungen von Sheppards Leben. Die Dachböden, Kaffeehäuser, Büros und Gefängnisse, in denen sich die Handlung abspielt, wurden mit Hilfe von Büchern, Holzschnitten und Gravuren aus der entsprechenden Zeit rekonstruiert. Durch die sorgfältige Integration von zeitgenössischen Quellen hat man das Gefühl, die Protagonisten würden sich zwischen zwei- und dreidimensionalen Räumen hin- und herbewegen.

In einer kleinen Videothek (Parkett 2) können die Ausstellungsbesucher drei frühere Filme von Kirschner und Panos sehen, die, wie Ultimate Substance und The Last Days of Jack Sheppard, kritisch historisches Material aufgreifen, um den Problemen des 21. Jahrhunderts auf den Grund zu gehen. Das zwischen satirischer Science-Fiction und Brecht’schem «Lehrstück» oszillierende Werk Polly II (2006) porträtiert Piraten, die in den Ruinen des überfluteten East-Londons – einer gesetzlosen Zone, die bald in eine luxuriöse Wohngegend am Wasser umgewandelt werden soll – ums Überleben kämpfen. In Trail of the Spider (2008) greifen Kirschner und Panos Westernmotive auf, um die materiellen und psychologischen Bedingungen der in der Folge der olympischen Spiele 2012 eintretenden aggressiven Gentrifizierung von East-London aufzuzeigen. The Empty Plan (2010) hinterfragt die Verbindungen zwischen Theorie und Praxis im Theater von Bertolt Brecht. Szenen aus Brechts Leben im Exil in Los Angeles werden rekonstruierten Inszenierungen von Brechts Bühnenstück Die Mutter  in der späten Weimarer Republik, New Deal America und Nachkriegsostdeutschland gegenübergestellt. Ziel dieser Gegenüberstellung ist es, verschiedene Formen von Theaterperformance und deren Beziehungen zu sich verändernden historischen und politischen Begebenheiten zu untersuchen.

Ultimate Substance wurde in Auftrag gegeben von der Secession (AT), Extra City Kunsthal Antwerpen (BE), Liverpool Biennial und FACT (UK) mit Unterstützung von: Neuer Berliner Kunstverein (DE), Kunsthaus Centre d’art Pasquart, Biel (CH), DEMERGON Daskalopoulos Foundation for Culture and Development (GR) und Arts Council England.

The Last Days of Jack Sheppard wurde in Auftrag gegeben von Chisenhale Gallery London (GB) CCA Glasgow (GB) mit Unterstützung von: Henry Moore Foundation, Arts Council England and the Scottish Arts Council.

Kuratorin der Ausstellung: Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Centre d’art Pasquart

Publikation:

Zur Ausstellung von Ultimate Substance ist von Secession, Extra City Kunsthal Antwerpen, Neuer Berliner Kunstverein und Kunsthaus CentrePasquArt im Revolver Verlag eine Publikation (en/dt/gr) mit Texten von Anja Kirschner und Richard Seaford erschienen.

Mit der freundlichen Unterstützung von:
Berner Fachhochschule (Architektur, Holz und Bau) / Haute école spécialisée bernoise (Architecture, bois et génie civil)

Anja Kirchner& David Panos, Ausstellungsansichten / vues d’exposition / exhibition views Kunsthaus Centre d’art Pasquart 2013
Fotos / Photos:P.Christe