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In Emma Talbots (*1969, GB) multimedialem Werk bildet die Zeichnung den Ausgangspunkt für ihre Auseinandersetzungen mit Fragen unserer Zeit, von der Umwelt über Feminismus und Gender, bis hin zur Art und Weise, wie wir kommunizieren. Ihre leuchtenden, auf Seide gemalten Zeichnungen und die dazugehörigen Animationen erinnern sowohl an Traumtage­bücher als auch an automatisches Zeichnen und verknüpfen oft Wort und Bild, um die Lyrik und den Schmerz der Subjektivität auszudrücken. Indem sie ihr eigenes Schreiben sowie Verweise auf andere literarische und poetische Quellen miteinbezieht, kombiniert Talbot gemalten Text, figurative Darstellung, Markierung und Muster. Für ihre jüngsten, von Hand gefertigten dreidimensionalen Arbeiten verwendet sie einfache Materialien und Techniken wie Papp­maché und genähte weiche Formen. In ihrer Ausstellung, die in einer Zeit stattfindet, in der unsere Welt unsicherer ist als je zuvor, verwebt Talbot die Nachwirkungen des Zusammen­bruchs unseres Systems mit Interpretationen wilder und beeindruckender Landschaften. Es sind Geschichten, welche die alte Mythologie wachrufen und ganzheitliche Wege des Hand­werks, des Machens und der Zugehörigkeit anklingen lassen – alles dargestellt von einer Gruppe wehklagender Frauen.

Durch Zeichnung, Malerei, Animation und Skulpturen erkundet Emma Talbot die innere Landschaft ihrer Gedanken und Gefühle, die auf eigenen Erfahrungen und Erinnerungen beruhen. Diese subjektiven Eindrücke werden dann in umfassendere Erzählungen eingebettet, die sich mit wichtigen zeitgenössischen Themen befassen. Die Verschiebung von Sprachebene und Lesarten in ihrer Arbeit zwischen dem Symbolischen und dem Alltäglichen, dem Autobiografischen und dem Kollektiven kommt in der Verflechtung von Text und Bild in einer Form von visueller Poesie zum Ausdruck.

Die Beziehung zwischen der physischen Präsenz des Werks und der unbeständigen Natur des Themas spiegelt sich in Talbots Materialwahl wider: Von Hand gezeichnet und auf Seide oder Papier gemalt, vermitteln ihre Bilder unmittelbare Darstellungen ihrer Gedanken und überraschen die Künstlerin bisweilen mit der Enthüllung von Dingen, die ihr selber unbewusst sind. Grossformatige Malereien auf Seide hängen in mehrteiligen Installationen von der Decke, während die Mixed-Media-Skulpturen die weiblichen Geister aus Talbots Zeichnungen in traumhafte Landschaften versetzen, wo sie in Akten des Sammelns, Reisens und Erkundens dargestellt werden. In ihren Animationen, deren Erzeugung sich die Künstlerin während des ersten Lockdowns selbst angeeignet hat, werden handgezeichnete Landschaften von natürlicher Schönheit, reich an floralen und körperlichen Formen, von poetischen Texten der Künstlerin unterbrochen und von einem überirdischen Soundtrack aus perkussiven Rhythmen, elektronischen Melodien und klagenden Gesangsintonationen begleitet.

Talbots eigenwillige Bildsprache umfasst aufgeblähte Köpfe mit eigenschaftslosen Gesichtern und Wellen aus langem Haar, die sich oft zu starken rhythmischen Mustern ausweiten. Die Künstlerin hat eine einzigartige Schriftsprache entwickelt, um ihren inneren Monolog in das Werk zu überführen; eine Mischung aus Gross- und Kleinbuchstaben und unterschiedlichen Formaten, die eine maximale Variation der Betonungen ermöglicht. Ihr Werk verweist auf eine Vielzahl von Quellen, von Jugendstilillustrationen und der üppigen Fin-de-Siècle-Farbpalette aus Ocker und Amethyst, Silber und Jade bis hin zu Protestbannern und frühen feministischen Darstellungen des Körpers als Landschaft.

Die Ausstellung konzentriert sich in erster Linie auf Talbots Untersuchungen der alten keltischen Tradition des Wehklagens (Keening). Totenkläger*innen waren professionelle Trauernde, oft Frauen, die die Häuser der kürzlich Verstorbenen besuchten, um mit ihren Klageliedern die Seelen aus dem Diesseits ins Jenseits zu geleiten. Diese Frauen tauchen in der Ausstellung in verschiedenen Formen auf: Sie erzählen von dem kataklysmischen Ereignis, das die Welt umgestaltet; sie bewegen sich durch diese neu zerbrochene Welt; sie erforschen fantastische Landschaften und werden von mythischen Vögeln durch diese transportiert, während über ihnen geisterhafte Erscheinungen schweben. All diese Erzählstränge werden in Talbots neuer Animation Keening Songs (2020) zusammengeführt und mit Bewegung und Klang vereint. Hier sehen wir, wie diese Frauen sich bewegen, trauern und füreinander sorgen und dabei auf verschiedene Tiere, Geister und unbekannte Seelen treffen.

Mit diesem neuen Werk lädt Talbot ein, uns diese ungewissen Zukünfte gemeinsam vorzustellen und sorgfältig darüber nachzudenken, wie wir uns in der heutigen Situation der unbestreitbaren Unsicherheit und des Wandels zurechtfinden. Obwohl sie diese Themen mit Ehrlichkeit angeht, verzichtet Talbot auf Pessimismus und Zynismus zugunsten einer hoffnungsvollen Zukunft, in der Machtstrukturen umgestaltet wurden.

Emma Talbot studierte am Birmingham Institute of Art & Design und am Royal College of Art. Sie ist Dozentin für Malerei an der School of Arts and Humanities des Royal College of Art. Ihre Arbeiten wurden bereits bei Eastside Projects, Birmingham; Arcadia Missa, New York; GEM Kunstmuseum, Den Haag; Petra Rinck Galerie, Düsseldorf; Turner Contemporary, Margate; Drawing Room, London, The Freud Museum; London; Galerie Onrust, Amsterdam; Neuer Aachener Kunstverein, Aachen und Tate St. Ives, Cornwall ausgestellt. Sie wird von der Galerie Onrust, Amsterdam und der Petra Rinck Galerie, Düsseldorf vertreten.

Im Jahr 2020 wurde Emma Talbot mit dem 8. Mara Art Prize for Women ausgezeichnet, einem alle zwei Jahre vergebenen Preis, der 2005 in Zusammenarbeit mit der Whitechapel Gallery in London und der Maramotti Foundation in Italien ins Leben gerufen wurde.

Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit Dundee Contemporary Arts, Dundee, Schottland, GB, produziert, wo sie vom 28. April bis 8. August 2021 gezeigt wurde.

Kuratorin der Ausstellung

Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart

Künstleringespräch

So 12.9.2021, 14:00 (eng)    Emma Talbot im Gespräch mit Felicity Lunn.

Öffentliche Führungen

Do 7.10.2021, 18:00 (dt)     Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart

Do 21.10.2021, 18:00 (fr)     Julie Carron, Museologin

Kunstimbiss

Fr 12.11.2021, 12:15 (dt/fr)   Kurzführung mit Imbiss von Batavia. CHF 15.-, Anmeldung: info@pasquart.ch

Emma Talbot, Women keening – island, 2020, Aquarell auf Papier, 30 x 41 cm; Courtesy the artist