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France-Lise McGurn, Bodytronic, Ausstellungsansichten Kunsthaus Pasquart 2020; Courtesy the artist and Simon Lee Gallery, London, Fotos: Stefan Rohner
France-Lise McGurn, Bodytronic, Ausstellungsrundgang mit Felicity Lunn (eng), Kunsthaus Pasquart 2020; Courtesy the artist and Simon Lee Gallery, London

France-Lise McGurn

Bodytronic

19.9.–22.11.2020

Die schottische Künstlerin France-Lise McGurn (*1983, GB) malt auf Leinwand und direkt auf Wände, Böden wie Decken von Ausstellungsräumen und verbindet beides oft zu einem vereinnahmenden Erlebnis. Für ihre künstlerische Arbeit greift sie auf ein gesammeltes Archiv von Bildern aus Filmen, Club-Flyern und Magazinen sowie auf ihre eigenen Erfahrungen zurück, die vom Leben in einer Stadt, von Partys und Träumen bis hin zu Mutterschaft und weiblicher Sexualität reichen. Diese losen Quellen dienen der Künstlerin als Inspiration für ihre Skizzen auf Papier. Bodytronic verweist auf das Rhythmische, die Trance und den bewegenden Körper. Auf den Wänden formieren sich Linien zu Figuren, welche sich lässig auf den verwaschenen abstrakten Farbfeldern herumtreiben. Einzelne Körperteile schweben ungezwungen über die Oberfläche und kombinieren gehängte Leinwände mit Wandmalerei. Die schnellen Pinselstriche und wiederkehrenden Farbflecken setzen sich über die Leinwände hinweg und verteilen sich frei auf die umgebenden Flächen. Sie beleben den Raum mit Suggestionen von Lust, ständiger Bewegung und der vielschichtigen Beschaffenheit zeitgenössischer Erfahrung. McGurns archetypische Figuren deuten auf die Anonymität des Stadtlebens und gleichzeitig auf eine seltsame Intimität urbaner Nähe.

McGurn bezieht sich seit den Anfängen ihres Schaffens auf die verschiedensten Quellen, dazu gehören in jüngster Zeit Filme der 70er und 80er Jahre, Modeillustrationen, Werbung, Popstars und Glamour-Fotografie. Die allgemeingültigen Merkmale der Figuren werden durch ihre malerische Wiederholung betont und vermitteln ein Gefühl von Vertrautheit oder Intimität, welches vielseitige Lesearten zulässt. Die Künstlerin findet ihre Inspiration aber auch bei Menschen, denen sie begegnet ist, ihren Bewegungen, Manierismen und Handgesten.

Die Malerei von France-Lise McGurn entsteht mit Öl, Acryl, Sprühfarbe und Marker. Ihr Thema ist vornehmlich die weibliche Figur, die sie in vielfältigen, häufig explizit sexuellen Posen darstellt und so mit Abbild, Identität und Begehren spielt. Gleichzeitig distanziert und intim, einladend und abweisend, implizieren sie Beziehungen zueinander und fordern die Betrachter*innen provozierend oder aufreizend heraus. Ihre Ungezwungenheit und Energie werden durch die Lebendigkeit und fliessende Bewegung von McGurns Zeichnung sowie durch den Kontrast zwischen dem sinnlichen Illustrationsstil, in dem die Figuren ausgeführt sind, und den gestisch abstrakten Flächen aus Pastell oder chemisch anmutenden Farben verstärkt. Diese malerische Strategie verleiht den Figuren ihre essentielle Mehrdeutigkeit: Obwohl sie sehr zeitgenössisch sind, ähneln sie klassischen Archetypen oder erinnern an bekannte Stile wie die knabenhafte Haltung der Figuren aus der Zeit des Art Déco.

Die meisten der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten wurden während des COVID-19-Lockdowns produziert. Dieser veranlasste die Künstlerin dazu, auf verschiedene Weise über die Hauptthemen in ihrem Werk zu reflektieren. Die Erfahrung, von anderen Körpern umgeben zu sein, sei es durch Wände hindurch, im Bett oder auf der Strasse, war stets der Ausgangspunkt für McGurns Praxis, während das Partythema, das in ihren Bildern immer wieder auftaucht, nicht direkt dargestellt, sondern vielmehr als das Gefühl der Nähe zu anderen Menschen hervorgerufen wird. Das Eingeschlossensein hat ihr hingegen die Kluft zwischen privatem und öffentlichem Leben vor Augen geführt, insbesondere die Reaktion auf bestimmte Verhaltensweisen, die von der Tageszeit abhängig sind. Ihr Interesse an Aspekten des Nachtlebens wie Feiern, Schlaf, Sex oder Schlaflosigkeit beruht darauf, wie wir von sozialen Strukturen bestimmt werden. Die Wiederholung in McGurns Arbeiten spiegelt diesen Zyklus von Tag und Nacht in einer Form eines zeitlichen Kollapses wider, wobei die Figuren manchmal zweifach erscheinen.

Das Wandgemälde für die Ausstellung erstreckt sich über vier Räume im Neubau des Kunsthauses mit einer Gesamtfläche von rund 400m². Wie alle ihre Wandmalereien wurde auch diese nicht im Voraus geplant. Einer ersten freihändigen Skizze an der Wand folgten zahlreiche detailliertere Ausgestaltungen und die Überarbeitung von Flächen, um die Räume zu verbinden. Über die Wandmalerei wurden danach nicht nur Leinwände gehängt, sondern auch eine Auswahl von Zeichnungen und Neonarbeiten. Mit Letzteren begann France-Lise McGurn aufgrund eines Auftrags für eine Bar in ihrer Heimatstadt Glasgow, der sie zu einer Gruppe von Neonröhren inspirierte – im Grunde eine andere Form der Linienzeichnung. Bei den gerahmten Arbeiten auf Papier setzt die Künstlerin die Malerei auf der Verglasung fort, ähnlich der Art und Weise, in der sie mit dem lebendigen und ausufernden Bild Wand und Leinwand vereint.

Kuratorin der Ausstellung

Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart

Publikation zur Ausstellung

Zur Ausstellung erscheint eine reich bebilderte Publikation mit Texten von Michael Bracewell und Felicity Lunn im Verlag für moderne Kunst (ENG / DT / FR). Sie wird am November erhältlich sein (Buchpräsentation am 12.11.2020).

Öffentliche Führungen

Do 15.10.2020, 18:00 (fr)    Laura Weber, Kunsthistorikerin

Do 29.10.2020, 18:00 (dt)   Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart

Fr  13.11.2020, 12:15 (dt/fr)  Kunstimbiss – Kurzführung und Mittagssnack

Künstleringespräch

Sa 19.9.2020, 14:00  (eng) France-Lise McGurn im Gespräch mit Felicity Lunn