Martin Ziegelmüller
27 Juli 2015 – 22 November 2015
Martin Ziegelmüller
27.7.2015-22.11.2015
Martin Ziegelmüller (*1935, Graben bei Herzogenbuchsee, lebt in Vinelz) gehört seit den 1970er-Jahren zu den wichtigen und einflussreichen Künstlern der Region und weit über diese hinaus. Er ist für sein druckgrafisches Werk ebenso bekannt wie für seine Ölgemälde und Aquarelle. Diese Ausstellung ist zwei Radierungszyklen gewidmet, die seine apokalyptischen, zuweilen witzigen Visionen des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur offenbaren. Dem Zyklus Rauch der Hexenfeuer, 1990 – 1996, den Ziegelmüller der Stiftung Kunsthaus-Sammlung CentrePasquArt geschenkt hat, wird das «männliche» Pendant Teilchenbeschleuniger, 2013 – 2014 gegenüber-gestellt. Im Rauch der Hexenfeuer wimmelt es von Henkern und echten wie unechten Hexen. Der Zyklus zeigt aber auch gewaltige Unwetter, unheimliche Mondnächte und verzauberte Landschaften. Schwarze, wilde Bilder wechseln sich ab mit stillen, fast lyrischen. Der Teilchenbeschleuniger dagegen geht den Fragen von Raum und Zeit nach, den physikalischen Theorien, der Digitalisierung, der Beschleunigung. Das ganze Weltbild wird hier in rasend-rotierende Teilchen aufgelöst und ist der Versuch, das nicht Sichtbare sichtbar zu machen.
Die Druckgrafik, vorwiegend die Radierung, geniesst im Œuvre Ziegelmüllers einen wichtigen Stellenwert. Er betrachtet das Medium als ein Ventil, um „den Überdruck von Ideen abzulassen, der sonst meine Malerei stören würde. (…) Dass ich im Laufe der Zeit auch schwarzen Humor entwickelt habe, kommt meiner Druckgrafik entgegen. So gewinnt man die nötige Distanz. Das Fabulieren ist in der Druckgrafik eine Bereicherung; in der Malerei ist Humor oft eine Last.“ Damit die Unmittelbarkeit der Zeichnung nicht verloren geht, arbeitet er direkt auf der mit schwarzem Asphaltlack grundierten Kupferplatte. Technisch sowie thematisch verbindet er im Teilchenbeschleuniger-Zyklus die Kenntnisse, die er sich über Jahrzehnte angeeignet hat. Er verwendet dabei bewusst Fehler als kreativen Anstoss, wodurch er mit weiteren Ideen experimentieren kann.
Die Werkgruppen Rauch der Hexenfeuer und Teilchenbeschleuniger bestehen aus elf beziehungsweise acht Zyklen. Obschon zwanzig Jahre zwischen den beiden Zyklen liegen, ist in der Gegenüberstellung der beiden Arbeiten eine Entwicklung zu sehen. Zudem werden darin Themen verarbeitet – beispielsweise die Landschaft, Tiere und apokalyptische Szenen –, die Ziegelmüller seit seinen frühesten Bildern immer wieder untersucht hat. Rauch der Hexenfeuer wurde durch die Gräueltaten während des Jugoslawienkrieges ausgelöst, die für Ziegelmüller eine grosse Ähnlichkeit mit den Hexenprozessen des Mittelalters aufweisen. Diese spezifische Situation ist jedenfalls nur indirekt in den Druckgrafiken des Rauch der Hexenfeuer vorzufinden. Sie zeigen jedoch ein grosses Spektrum von Figuren, einen umfangreichen Kosmos der menschlichen Gefühle und verschiedene Perspektiven unseres Umgangs miteinander. Im Rauch der Hexenfeuer vermag der Künstler Dinge sichtbar zu machen, die man gar nicht sehen kann oder will, darunter Emotionen wie Gier, Hass oder Angst.
Vom CERN inspiriert, stellt der Teilchenbeschleuniger zwar Physiker umgeben von Geräten in ihren Labors dar, die Werkgruppe ist jedoch wie Rauch der Hexenfeuer auch eine Metapher für vieles mehr. In den Worten Martin Ziegelmüllers thematisiert der Zyklus „Dinge, die wir wissen, aber nicht sehen. Wir wissen, dass es das Atom gibt, aber es hat ja noch niemand ein Atom gesehen. Das hat einen grossen Einfluss auf uns, denn wir wissen, dass die Welt eigentlich ganz anders ist, als wir sie sehen.“ Die Evolution wird auf eine abstrakte Art und Weise dargestellt, über Bewegung, Licht und Dunkelheit. Auch durch die Gegenüberstellung der romantischen und uralten Landschaft und sehr zeitgenössischen Städten verbindet der Künstler unsere Vergangenheit mit einer möglichen Zukunft. Diese Überlagerung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird auch im letzten Zyklus in der Darstellung einer Kristallkluft visualisiert. Der Kristall macht nicht nur die Gedanken der Physiker im CERN sichtbar, sondern er hallt wie ein Echo des Rauch der Hexenfeuer in den letzten Blättern des Teilchenbeschleuniger-Zyklus wieder. Die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Zyklen werden vornehmlich in folgender Aussage Ziegelmüllers gegenwärtig: „Bei diesen letzten zwei Kristallklüften wusste ich, dass ich etwas erreichen musste, was im Hexenzyklus angefangen hat, aber nie voll zum Tragen kam. Da sieht man Höhlen, Vaginen, Bedrohliches … “
Mit der freundlichen Unterstützung der Stiftung Kunsthaus-Sammlung CentrePasquArt (Alice Meier Fonds).
Publikation zur Ausstellung: Anlässlich der Ausstellung erscheint eine Publikation, die grosszügig von Heinz Trösch gefördert wird.
Kuratorin der Ausstellung: Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus CentrePasquArt Biel Bienne