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GUILLERMO KUITCA

29 Januar – 26 März

Guillermo Kuitca (*1961, AR) ist einer der führenden zeitgenössischen Künstler Lateinamerikas. Seine Malerei bringt geschickt unterschiedliche abstrakte Stilrichtungen mit einer illusionistischen Form von Gegenständlichkeit in Einklang und untersucht, wie sich Abwesenheit, Bewegung und Stille auf einer zweidimensionalen Fläche ausdrücken lassen. Die Ausstellung vereint frühe Werke der 1990er- und 2000er-Jahren, die durch Architektur, Theaterbestuhlungspläne und Kartographie inspiriert sind, und neue Gemälde, welche Bilder von Portalen, Eingängen und Durchgangsräumen zeigen. Des Weiteren markiert sie Kuitcas Rückkehr zur Repräsentation der menschlichen Figur überwiegend in weiblichen Formen. Diese machen den Übergang zwischen Bildebene und dem unbestimmten Bereich jenseits des Sichtbaren spürbar. Als freistehendes Flügelaltargemälde wird zudem das erste Mal realer Raum auf Kuitcas Leinwänden wiedergegeben. Guillermo Kuitcas Arbeit war in Ausstellungen bedeutender europäischer und amerikanischer Museen zu sehen. Er vertrat 2007 Argentinien an der Biennale von Venedig. Die Ausstellung im Kunsthaus Pasquart ist die umfassendste Präsentation seines Œuvres in der Schweiz bisher.

In der 365 Quadratmeter grossen Salle Poma wird erstmals die neue dreidimensionale Arbeit Retablo, 2016 (Flügelaltar) gezeigt. Den Kontext dafür bilden erst kürzlich entstandene Gemälde. Retablo ist mit seiner bühnenähnlichen Installation, den Wänden auf drei Seiten, einer bemalten Decke, Rampenlichtern und der Distanz zum Betrachtenden früheren Arbeiten von Kuitca verwandt, mit denen er die Architektur und Atmosphäre des Theaters erkundet hat. In der Serie Opernhaus Zürich, 2007 treten die Sitzpläne des Theaters thematisch in den Vordergrund und das Buch Der fliegende Holländer, 2009 weist auf seinen Seiten eine freiere Interpretation von Bühnenbildern auf. Bei Retablo geht es währenddessen um die Materialität der Bühnenausstattung wie auch um die Illusion des Dreidimensionalen. Das Gemälde stellt einen Weg dar, welcher buchstäblich bei den Füssen der Betrachtenden startet und sich allmählich dem Blick entzieht. Wie bei allen grossen Leinwänden, auf denen Kuitca seit 2007 an der Überlagerung und Verschachtelung von Bildflächen arbeitet, hat er auch hier mögliche figurative Szenarien durch die Vermittlung von Bewegung sowie die Andeutung von Licht und Textur ersetzt.

In Kuitcas Arbeit sind viele kunsthistorische Assoziationen erkennbar, seien es die spitzbogigen und aufwärtsstrebenden Formen der gotischen Architektur, die Kunst der Moderne, der kubistische Stil seiner abstrakten Oberflächen oder der Futurismus. Insbesondere Untitled (Exodus), 2015 und die Arbeit Untitled, 2011 widerspiegeln das futuristische Bestreben, Bewegung auf einer zweidimensionalen Fläche darzustellen. Die unterschiedlichen Formen werden über die Bildfläche hinweg wiederholt und erinnern an die fliessende Bewegung von Schauspielern oder Tänzern auf einer Bühne. Einige andere Gemälde wie Desenlace III, 2007 beziehen sich auf die Leinwandschnitte, welche der italienische Künstler Lucio Fontanas zum ersten Mal in den 1950er machte.

Einer der beeindruckendsten Aspekte von Kuitcas Arbeiten ist die zunächst düster wirkende Farbpalette. Der grellgelbe Hintergrund von Untitled, 2003 – 2015 ist daher eher ungewöhnlich. Kuitca beginnt alle seine Gemälde mit leuchtenden Farben, die er nach und nach mit dunkleren Farbtönen übermalt. Die hellen Töne bleiben durch die dunkleren Farbflächen hindurch sichtbar, und in dieser Verbindung entsteht die charakteristische Tiefe und oszillierende Wirkung seiner Werke.

In Kuitcas Frühwerk war die Figur ein wichtiges Bildelement und ihre schemenhafte Darstellung auf kleinformatigen Bildern aus den 1980er Jahren bezieht sich unmittelbar auf die Umrisse oder Silhouetten der Frauenfiguren, die in zahlreichen der neueren Arbeiten in den Türöffnungen in Erscheinung treten. In den 1990er Jahren hatte Kuitca durch Motive aus Kartografie, Theater oder Architektur die Figur durch Darstellungen menschlicher Erfahrung in verschiedenen Umgebungen ersetzt. Kuitca ist erst in den letzten beiden Jahren wieder zu einer figürlichen Darstellung zurückgekehrt, nachdem er seit 2007 ausschliesslich abstrakte Bilder gemalt hatte.

Die Monumentalität der in jüngster Zeit entstandenen abstrakten Bilder wird von Diarios, 1994 (fortlaufend) unterlaufen. 1994 begonnen, stellt diese Werkgruppe eine Dokumentation seiner im Atelier verbrachten Zeit dar, sie zeigen Einkaufslisten, Telefonnummern und gedankenlose Kritzeleien, die während seiner Kaffeepausen entstanden sind. Auf kreisrund aufgespannten, ursprünglich verworfenen Leinwänden zeichnet und kritzelt er über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Die Verwendung verworfener Leinwände ist bezeichnend, denn die lebhafte Form des Tagebuchs ermöglicht dem künstlerischen Fehlschlag eine zweite Chance.

Kuratorin der Ausstellung: Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart, Biel

Publikation zur Ausstellung;
Im Verlauf der Ausstellung erscheint eine reichbebilderte Publikation mit Ausstellungs-ansichten mit einem Text von Felicity Lunn im Verlag für Moderne Kunst (ENG / DT / FR).

Ausstellungsansichten / Vues d’exposition / Exhibition views GUILLERMO KUITCA Pasquart Kunsthaus Centre d’art 2017, Fotos / photos: Stefan Rohner